Vom scheuen Studenten zum Vorstandsvorsitzenden

Jürgen Rüffer

Jürgen Rüffer blickt auf mehrere Jahrzehnte Mitgliedschaft in der Förderergesellschaft Geodäsie und Geoinformatik der Leibniz Universität Hannover zurück, die sich seit Ihrer Gründung am 30. April 1951 insbesondere der Förderung der Lehre dieser Fachrichtung verpflichtet fühlt.

Ein Interview mit ALLSAT Geschäftsführer Jürgen Rüffer über die Förderergesellschaft und seine Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender.

Aktuelle Webseite Förderergesellschaft Geodäsie und Geoinformatik
Aktuelle Webseite Förderergesellschaft Geodäsie und Geoinformatik

Wie sind Sie zur Förderergesellschaft gekommen?

Als Student 1975 wurden alle Erstsemester durch einen wissenschaftlichen Mitarbeiter und Dozenten nahezu genötigt, dem Verein beizutreten. Dies wurde mit dem deutlichen Hinweis verbunden, dass sich der Verein schließlich um die Förderung des Studiums der Geodäsie an der damaligen Technischen Universität Hannover kümmert. Der Betrag war mit damals 5 DM pro Jahr so niedrig, dass praktisch viele Studenten direkt beigetreten sind, ich damals allerdings noch nicht. Diese Art der Mitgliederwerbung war für mich Mitte der 70er Jahre nach beinahe 2 Jahren Bundeswehr und mit der Revolte der 68er dann doch sehr suspekt.

Und wie ging es dann weiter?

Ich habe den Verein damals nur beobachtet, und die Studenten waren meist passive Mitglieder, so wie auch heute noch die meisten. Allerdings habe ich mich selbst sehr früh in der studentischen Vertretung engagiert, die als Fachschaftrat bezeichnet wird. Die studentischen Mitglieder haben erst einmal ausschließlich durch Zuschüsse des Vereins bei den regelmäßigen mehrtägigen Exkursionen profitiert. Damals wurden nur die Mitglieder des Vereins finanziell gefördert, heute gilt diese Förderung inzwischen für alle Studenten des Fachbereichs. Darüber hinaus förderte der Verein die Anschaffung der durchweg teuren Fachbücher, die alle Studenten in der Fachschaftsbibliothek ausleihen konnten.

Es gab schon während meines Studiums zahlreiche Verbindungen zur Fachrichtung und zu den Instituten. Zum einen durch meine langjährige Tätigkeit als Mitglied und Vorsitzender des Fachschaftsrates und Tätigkeiten in verschiedenen Fachbereichs-Kommissionen. Zum anderen über lange Jahre mit studentischen Tätigkeiten als sog. HiWi, womit ich mein Studium in verschiedenen Instituten finanziert habe.

Helgoland 1977 Leuchtturm
Helgoland 1977 Leuchtturm

Nach dem Ende des Studiums und dem Eintritt in den Beruf bei Prakla-Seismos habe ich mich der Fachrichtung allerdings zunehmend verbunden gefühlt, da ich im Beruf merkte, wie gut meine Ausbildung tatsächlich war und wie sie mir den Weg in ein sehr erfolgreiches Berufsleben geebnet hat. Damit war meine Mitgliedschaft im Verein einerseits gefühlte Solidarität zum Fachbereich und die Förderung unseres beruflichen Nachwuchses gehörte für mich andererseits einfach dazu.

Libyen 1983
Jürgen Rüffer in Libyen 1983

Wie kam es dann so viele Jahre später zum Vorstandsvorsitz?

Das war vielleicht schon in meiner langjährigen Tätigkeit im Fachschaftsrat und in verschiedenen Kommissionen der Hochschule angelegt, darunter Studienreformkommission und Berufungskommissionen. Später und noch heute holen wir Studenten und Absolventen der Leibniz Universität gern zur ALLSAT, weil wir die Qualität der hiesigen Ausbildung sehr schätzen. So gehörte auch bald die Betreuung von Diplomarbeiten sowie von Bachelor- und Masterarbeiten für Studierende zu meinen bevorzugten Kontakten zum Fachbereich. Darüber hinaus gab und gibt es bis heute spannende Forschungsprojekte, die wir gemeinsam mit einzelnen Lehrstühlen durchgeführt haben und auch zukünftig durchführen werden. Je mehr dieser Verbindungen es gab, umso konkreter wurde mein Gedanke mitzuwirken, damit die Institute ihrem Lehrauftrag auch weiterhin bestmöglich nachkommen können.

Die Geodäsie und Geoinformatik ist überall ein sehr kleiner Fachbereich und wird damit potentiell auch immer mal wieder von der Hochschulpolitik in Frage gestellt. So war es aus meiner Sicht auch immer wichtig, durch Präsenz und aktive Unterstützung zu zeigen, dass diese Ausbildung ausgesprochen wertvoll ist. Meine eigene berufliche Karriere habe ich auf dem aufgebaut, was ich dort gelernt habe. Und die Idee, mich im Vorstand der Förderergesellschaft zu engagieren, kam dadurch ganz automatisch. Und wenn man wie ich in den vergangenen 10 Jahren ein paar Jahre hintereinander an den Mitgliederversammlungen aktiv teilnimmt, sprechen einen die Berufskollegen immer wieder an, ob man nicht noch aktiver mitarbeiten möchte.

Irgendwann habe ich dann schließlich zugesagt, als ich meine zeitliche Belastung in der ALLSAT durch die aktive Mitarbeit meines Kollegen Michael Schulz in der Geschäftsführung reduzieren konnte. Aber zuerst habe ich jedoch noch einmal ganz genau hingeschaut, wie die Vorstandsarbeit im Verein praktisch läuft. Und schließlich kam die Frage meines heutigen Vorgängers Dieter Stündl, ob ich nicht Lust hätte, für den Vorstandsvorsitz zu kandidieren. Ich habe mich kurz noch rückversichert, ob ich dafür genügend Unterstützung aktiver Kollegen habe und es nicht, wie die Arbeit im Fachschaftsrat in den 70er Jahren ganz allein machen sollte, und dann gern zugesagt. So kam ich Jahrzehnte nach meinem Beitritt in den Verein zur Vorstandsvorsitz.

Das Verrückte ist, dass ich mit Ausnahme der Professoren leider zu den jüngeren aktiven Mitgliedern des Vereins zähle. Angesichts des Wertes dieser Ausbildung und meines auch schon fortgeschrittenen Alters ist das eigentlich sehr schade, und das würde ich mit der Arbeit des aktuellen Vorstands gern ändern. Mir ging es früher jedoch auch nicht anders, denn als ich voll im Beruf mit damals vielen Reisen stand, habe ich mich vor allem zeitlich nicht frei genug gefühlt, an der Arbeit des Vereins umfassend teilzunehmen. Heute sehe ich es als meine wesentliche Aufgabe, jüngere Berufskollegen für die aktive Mitarbeit im Verein zu motivieren. Mitzuwirken und zu gestalten macht eben auch viel Spaß, und Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Berufs- und Altersgruppen liefern immer wertvolle Impulse für die zukünftige Fördertätigkeit des Vereins.

Welche weiteren Aktivitäten fördert der Verein?

Es werden u.a. regelmäßig zwei attraktive Preise für Absolventen verliehen. Einmal ist das der jährlich verliehene „Bachelor-Preis Geodäsie und Geoinformatik“ für die beste Bachelorarbeit eines Jahrgangs. Dieser Preis honoriert hervorragende Leistungen insbesondere im Bereich der Schlüsselkompetenzen und besteht aus einem Geldbetrag von 500 Euro sowie einer Verleihungsurkunde.

Als der bedeutendste Preis wird der „Walter Großmann-Preis“ für die beste Masterarbeit ausgelobt, benannt nach dem großen hannoverschen Geodäten und Institutsleiter Professor Walter Großmann. Der/die Gewinner/in erhält als Auszeichnung eine Verleihungsurkunde verbunden mit einem Geldpreis in Höhe von 2.000 Euro, die für eine Fortbildung oder eine andere wissenschaftliche Arbeit investiert werden sollen. In diesem Herbst ist es wieder soweit. Studenten können sich mit einem Artikel über ihre Masterarbeit bewerben. Der Clou dabei ist, dass der Bericht ist nicht in erster Linie wissenschaftlich ausgerichtet sein soll, sondern bestmöglich für einen Artikel in der Tagespresse geeignet sein soll. Dieser Schreibstyle fällt Menschen naturgemäß erst einmal schwer, die an einer Hochschule wissenschaftlich ausgebildet wurden. Es ist auch der Versuch, den jungen Absolventen nahezubringen, wie wichtig und sinnvoll es ist, die eigenen wissenschaftlichen Arbeiten über den Fachbereich hinaus bekannt und für den zukünftigen Nachwuchs verständlich und populär zu machen.

Denn es gibt viele Menschen, die sich für den Fortschritt in Geodäsie und Geoinformatik interessieren, wenn sie denn nur wüssten, wo überall Geodäsie und Geoinformatik drin ist. Und dafür wird natürlich eine andere Sprache benötigt als die wissenschaftliche Fachsprache.

Wer als Absolvent diese Preise gewinnt, liefert zukünftigen Arbeitgebern mit seinem Lebenslauf direkt ein wichtiges Signal für eine spätere berufliche Karriere. Wir wissen, dass ausgezeichnete Absolvent/innen im Anschluss stets offene Firmen- und Behördentüren vorfinden.

Und was wird noch darüber hinaus gefördert?

Weiterhin werden Studienaufenthalte in anderen Ländern auf Antrag von Studierenden gefördert. Dazu gehören u.a. auch Reisekosten und ggf. Kosten für die Unterkunft. Wenn zum Beispiel Studierende für ein Semester Auslandserfahrung mit einem Studienaufenthalt nach Finnland oder Kanada an eine geodätische Fakultät gehen möchten, die sich das wirtschaftlich nicht allein leisten könnten.

Selbstverständlich werden auch weiterhin zahlreiche Exkursionen und andere studentische Aktivitäten gefördert. Die Exkursionen finden meist einmal im Jahr für eine Woche unter einem bestimmten Thema statt, z.B. Berufsausübungen in der Geodäsie in einem Nachbarland. Dann werden sowohl das Geodätische Studium und die beruflichen Tätigkeiten in anderem Land als Basis genommen um den Blick der Studierenden zu weiten. Eine wichtige Erfahrung für die Studierenden. Viele könnten sich das ohne die Unterstützung des Vereins nicht leisten.

Durch die Pandemie ist es für die Förderergesellschaft Geodäsie aktuell schwieriger, konkrete Aktionen zu planen. Vieles musste in den vergangenen 12 Monaten verschoben werden, wie beispielsweise ein „Speed-Dating“ an der Hochschule. Hierbei sollen Vertreter von Behörden und Unternehmen auf Studierende treffen, um sich persönlich kennen zu lernen. Das hätten wir gern bereits in 2020 durchgeführt, aber die Corona-Pandemie funkte uns dazwischen. Wir wollen und werden das gern live und analog nachholen, sobald die Möglichkeit dazu besteht. Die Nachfrage nach Fachkräften mit abgeschlossenem Abschluss der Geodäsie ist größer als die Anzahl der Studenten, die ihr Studium abschließen. Die Verbindung zu späteren Arbeitgebern ist daher heute viel wichtiger geworden. Das wird garantiert eine gute Veranstaltung und ich freue mich schon heute darauf.

Wie behält man bei all den Vereinsaktivitäten den Überblick?

Dafür gibt es ein sog. Fördererheft oder Berichtsheft, das einmal im Jahr gedruckt und digital erscheint und finanziell vom Verein gefördert wird. Es enthält Berichte aus der Fachrichtung, aus allen Instituten und aus der Fachschaft über die wesentlichen Aktivitäten im vergangenen Jahr. Darüber hinaus eine Kurzfassung aller Bachelor- und Masterarbeiten, die einen interessanten Einblick in die Schwerpunktsetzung der Studierenden ermöglicht. Das Berichtsheft ist immer recht umfangreich und vielseitig und wird von den Mitgliedern immer gern gelesen, gesammelt und verschenkt.

Förderergesellschaft  Geodäsie Fördererheft
Förderergesellschaft Geodäsie: Fördererheft Beispiel 2019

Pünktlich zum Beginn der Corona-Pandemie wurden eine neue Webseite erstellt und ein Newsletter-Versand eingerichtet. Wir freuen uns, so nun auch außerhalb des Förderheftes auf kurzem Wege informieren zu können. Das erweitert die manchmal etwas dröge Vereinskultur und wird daher von den Mitgliedern sehr begrüßt.

Förderergesellschaft Geodäsie und Geoinformatik der Leibniz Universität Hannover mit heute ca. 650 Mitgliedern wurde am 30. April 1951 von Geodäten der TH Hannover und der Fachverwaltungen im Raum Hannover gegründet.

Ziel der Gesellschaft war und ist es, die Entwicklung einer erstklassigen Ausbildung an der Fachrichtung Geodäsie nachhaltig zu fördern und sowohl der Fachrichtung als auch Abgängern und Bedarfsträgern durch finanzielle und ideelle Förderung zu dienen. Die Gesellschaft ist gemeinnützig und finanziert ihre Arbeit ausschließlich aus Beiträgen und Spenden.

Jürgen Rüffer ist seit dem 19. November 2019 Vorstandsvorsitzender der Förderergesellschaft Geodäsie und vorerst für 2 Jahre gewählt.